„Den frag ich jetzt.“ Nervös, aber entschlossen betätige ich den Blinker und trete auf die Bremse, obwohl ich andere nur sehr ungern nach dem Weg frage. Seit einer Stunde suche ich die Abfahrt nach links Richtung Şomartin/Noul Român, hatte sie wohl übersehen und war tatsächlich durchgefahren bis Făgăraș. Es wird spät und ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, dort zu übernachten, um die Suche am nächsten Tag neu aufzunehmen. Aber die Abfahrt kann ja nun nicht verschwunden sein. 

Als ich auf dem Weg zurück einen gebeugten alten Mann im verknitterten, schmuddeligen Blaumann am Straßenrand erspähe, der sich beim Gehen auf seine Mistgabel stützt, fahre ich also spontan rechts ran. Schon beim Aussteigen kommt der Mann, den ich als Bauern einschätze, gebückt und mit freundlich-neugieriger Miene auf mich zu. 

Obwohl ich weiß, dass er wohl kaum Englisch beherrschen dürfte, und ich selbst noch viel zu wenig Rumänisch spreche, hoffe ich, die Ortsnamen alleine genügen. 

„Can you show me the way to Şomartin. I must have missed the exit. It must be somewhere here!“ setze ich aufgeregt, fast weinerlich, an. Ich deute ungeschickt in beide Richtungen entlang der Straße und wedele dabei mit den Armen wie eine Eule. 

„Ai vrea să mergi la Şomartin?“ Er macht sich wohl auf eine längere Unterhaltung gefasst; er stützt sich mit beiden Händen auf den Mistgabelgriff, legt den Kopf schief und schaut mich konzentriert an.

„Da, da, Şomartin, there is a sign somewhere, but I cannot remember where it is!“ 

„Aaaah, da.“ Er dreht sich Richtung Sibiu, wobei sich die Mistgabel auf einem Zinken mitdreht, und winkt in die Richtung. „Şomartin, această direcție, această direcție. Dar pe dreapta.“ 

Das verstehe ich! „Știu, la dreapta, but where exactly, the exit has … disappeared! There must be an exit, somewhere before Olteț, but I cannot find it!“

Ich bin kurz vorm Heulen und fühle mich wie in einer dieser Glitch-in-the-Matrix-Geschichten, wo Menschen sich plötzlich in einer veränderten Umgebung befinden. 

Aber wie soll ich das erklären. 

Ein Pferdegespann fährt gemächlich an uns vorbei. Der Kutscher beäugt uns misstrauisch. Der alte Mann macht eine wegwerfende Handbewegung in seine Richtung und bedeutet ihm unfreundlich, weiterzufahren. „Ţigăn, țigăn“, schimpft er. 

Dann wendet er sich wieder mir zu. „Aaaaaah, Şomartin, Noul Român, acolo, acolo!“ Er winkt weit ausgreifend, bemüht, der verwirrten Touristin den Weg so plastisch wie möglich zu zeigen. 

„Știu, știu, dar unde exact, unde este exit … meine Güte, was heißt denn Abfahrt auf Rumänisch.“ 

Der Bauer stutzt und richtet sich auf. „Sind Sie aus Deutschland? Sie suchen die Abfahrt nach Şomartin, Noul Român, ja? Also da müssen Sie von hier aus drei bis vier Kilometer weiter in die Richtung und dann kommt da diese schlechte Straße, die Panzerstraße, ja? Da ist auch ein Schild, und am Ende der Panzerstraße kommt nochmal eins, da geht’s links nach Noul Român und rechts nach Şomartin. Sie sind nur noch ein kurzes Stück entfernt. Fahren Sie einfach langsam.“ 

Ich bin so baff, dass ich sogar das Wedeln vergesse. Vor lauter Erleichterung erzähle ich ihm, dass ich eigentlich in Gherdeal wohne, aber das keiner kennt. Und dass ich mich wundere, dass das Navigationsgerät diesen Weg weder kannte noch erlernen wollte, obwohl ich ihn schon dreimal gefahren war. Und dass es einen immer über die Brücke von Cincu schicken wollte, die aber schon lange gesperrt war und außerdem ein Monsterumweg. Ich bin so froh. 

„Podul de la Cincu, da, da. Da räumt man einfach die Schilder weg und die ganze Absperrung. Dann fahren Sie durch und danach stellen Sie die Absperrung wieder hin. Fahren Sie durch, fahren Sie durch.“ Er machte wieder eine ausgreifende Bewegung mit dem Arm, wie um seine Aussage zu bekräftigen. „Und dann stellen Sie die Absperrung wieder hin. Oder Sie stellen sie nicht hin.“ 

Er grinst freundlich. Wir unterhalten uns noch etwa eine Viertelstunde, wobei ich einen guten Teil seiner Lebensgeschichte und einiges Wissenswerte über Gherdeal erfahre. 

Dann verabschieden wir uns herzlich und ich fahre beruhigt los, biege später rechts ein und eiere auf der automordenden Panzerstraße Richtung Zuhause. Die Ausfahrt habe ich seitdem nie wieder verpasst.

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Bild: sgrunden, via pixabay

Text: Copyright 2024 aufgmandlt.de, A. Mayer

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