„Dein Handy klingelt.“ 

Ich fummel hastig in meinem Rucksack. Anrufe bekomme ich eigentlich selten, seit ich in Transsilvanien wohne. Es ist eine rumänische Handynummer. Das muss der Spediteur sein! Ich hatte eine rosa Plüschcouch bestellt, die heute Nachmittag geliefert werden soll. Da ich mir sicher gewesen bin, dass ich bei der Lieferung ohnehin zu Hause wäre, weil diese immer recht spät erfolgt, habe ich mir keine Sorgen gemacht. Aber jetzt sind wir vor Cârța (Kerz) und können wegen eines auf dem Weg liegenden Baumes nicht weiter. 

Entschlossen tippe ich auf das runde grüne Ikon. „Hello, can you please wait? We will be home in under 60 minutes, să aştepţi vă rog –“ 

Daniel greift sich frech das Gerät und beendet das Telefonat. 

„Wir kommen pünktlich, das schaffen wir schon.“ 

„Kannst du nicht wissen“, entgegne ich erbost. Ich starre auf den Baum vor uns und fixiere dann die Warnblinkanlage. 

Garantiert würden sie niemanden antreffen und mit dem Teil wieder abrauschen. „Ich schreib denen jetzt auf Englisch.“ 

„Können Sie bitte die Couch einfach vor dem Gartentor liegenlassen?“ – „Wenn wir eine Unterschrift bekommen! Haben Sie Nachbarn?“ – „Ja, der sitzt hier neben mir.“ – „Ach so, und sonst? Niemand da?“ – „Nur der Sohn.“ – „Okay, wie alt ist der?“ – „Zwölf.“

Keine Antwort.

„Zwölf isser.“ 

Immer noch nix. Ich klopfe aufs Handy.

„Haaaalloooo, sind Sie noch da, der is zwölf, der kann nix unterschreiben, falls Sie jetz darauf spekulieren!“

Ich starre auf die Anzeige. „Die können keine Unterschrift von einem Zwölfjährigen einfordern“, zische ich.

„Das gibt’s ja nicht! Die können doch zehn Minuten auf uns warten, wenn die eh schon so weit rausfahren, dann macht das auch nix mehr aus! So krieg ich meine Couch nie, die werden einfach sagen, es war keiner da.“ 

Endlich ist der Baum zur Seite geräumt. Die Arbeiter geben uns entwarnende Zeichen und wir brettern durchs wunderschöne Cârța und dann durch die ebenso schöne Waldlandschaft Richtung Gherdeal. Daniel gibt verbotenerweise richtig Gas, was aber meine Sorge nicht dämpft. 

Bestimmt nehmen sie die Couch wieder mit! Bestimmt kommt sie dann nie an! Ich habe hier einige bizarre Liefergeschichten und öfter schon eine interessante Speditionsmoral erlebt. 

Als wir nach Bruiu die kleine Brücke überquert haben und auf den letzten Kurven durch den Wald fahren, kommt uns etwa zwei Kilometer vor unserem Ziel ein mir bekanntes Speditionsfahrzeug entgegen. Ich bitte Daniel, anzuhalten, damit ich die Sache klären kann. Er fährt etwas langsamer, da die unbefestigte staubige Straße sowieso zu eng für zwei Autos ist, und als wir gleichauf sind und im Schritttempo aneinander vorbeikriechen, verdrehe ich mir den Hals, um einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen. Er grinst uns an und bildet mit den Fingern der linken Hand das Okay-Zeichen. 

Und weg sind sie. 

Als wir wieder an Geschwindigkeit zulegen, starre ich ungläubig geradeaus. Sie haben das Gartentor aufgebrochen. Ich habe das Tor offen stehen lassen und sie haben das Haus ausgeräumt. Sie haben die Couch in den Bach gekippt und die Unterschrift gefälscht. Sie haben den Nachbarssohn geklaut und im Lastbereich des Wagens mitgenommen, um ihn im Set mit der Couch auf dem Schwarzmarkt zu verkloppen. Vor meinem inneren Auge läuft eine Diashow ab, die alle Vorurteile gegen Rumänen enthält, die man als Deutscher haben kann. 

Bei unserer Ankunft sitzt Sebastian draußen an der Straße. 

„Deine Couch steht im Garten. Ich hab unterschrieben.“ 

„Du hast WAS?“ 

Ein Zwölfjähriger. 

„Und wie seid ihr in den Garten gekommen? Du hast doch keinen Schlüssel, das weiß ich!“ 

Mit den Händen in den Taschen wendet sich der Kleine mit seiner bekannten Schnoddrigkeit ab und verschwindet im Haus. 

Wir sperren das Tor auf. 

Da steht die rosa Flauschcouch, ohne einen Kratzer, in Cellophan verpackt. Mitten im Garten.


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Bild: skrolik0, via pixabay

Text: Copyright 2024 aufgmandlt.de, A. Mayer

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