Ich fummle den Stecker des mobilen Bluetooth-Lautsprechers in meinen 8-Zoll-Computer, suche auf dem Bildschirm die Bluetooth-Funktion, schiebe den Regler auf „an“. Ich klicke auf „Start“, die Hörverstehensübung läuft. Für genau 4 Sekunden. Der Lautsprecher ist stumm, ich starre stumm in die Klasse, auch stumm. 

„Paws onto the desk, and now!“ belle ich, die Meute gehorcht und legt die Pfoten auf den Tisch. 

Ohne den Blick abzuwenden, starte ich die Übung erneut, weiter die Klasse fixierend. Der Text läuft, die Übung funktioniert. 

Das war nicht immer so. Als mir, persönlichkeitsbedingt handylos, die Interaktion bluetoothfähiger Smartphones mit sich in der Nähe befindlichen bluetoothfähigen Lautsprechern noch unbekannt war, galt es für Mittelstufenklassen als ein spaßig Ding, just zum besagten Zeitpunkt die Geräte zu aktivieren, wodurch jegliches Abspielen nicht über fünf Sekunden hinauskam und Unterrichtsstunden gerne zweckfrei blieben, es sei denn, man erkennt einen solchen in einer ratlos fluchenden, mit allerlei Gerätschaften hantierenden Lehrkraft und einer teils belustigten, teils aus Langeweile dauerratschenden Klasse einen sinnstiftenden und zukunftsfähigen Prozess. Ein Kind, und ich nahm es kürzlich mit nicht wenig Genugtuung zur Kenntnis, dass es kurz vor dem Ablegen der Reifeprüfung die Schule unverrichterer Dinge verließ, tat sich hier besonders hervor.

„Paws onto the desk!“

„My paws are on the desk!“

„Das bist doch du wieder! Wo is dein Handy?“

„Ich hab kein Handy dabei. Warum beschuldigen Sie immer mich?“

„Weil du immer schuld bist, Freundchen! Was hast du da?“

„Nix!“

„Das is nix?“

Erzürnt und triumphierend zugleich halte ich ein eingeschaltetes Smartphone in Händen, das alldieweil in der Spicknische unterhalb der Pultoberfläche gelagert gewesen ist.

„Mach den Mist aus, zum letz-ten Mal!“

„Mach ich ja, mein Gott!“

„Ja! Mein Gott! Aber echt! Mein Gott! Mir reicht’s so mit dir!“

Mit einem verschämten Grinsen und unter der durch Routine perfektionierten getarnten Anerkennung der übrigen Klasse packt das Lieblingskind sein Gerät weg. Dieser Zwischenfall mag sich ein Dutzend Mal wiederholt haben.


Nachdem ich einige Wochen später den Frevel mit fremder Hilfe spät durchschaut habe und zum Wohl eines steuergelderzahlenden Staatsvolks das Treiben jäh und erbost ein für allemal beendet geglaubt habe, trägt sich doch noch eine weitere, eine letzte, und sicher die erinnerungswürdigste Begebenheit zu; denn als ich im Begriff bin, eine Farbfolie auf dem Overheadprojektor zu erklären, und dessen platzende Glühbirne den Vorgang abrupt beendet, drehen sich gewohnheitsgemäß aller Augen zum Kind. Stille. Äußerste Spannung. Unterdrücktes Kichern. Aha! Es mag als jämmerliches technisches und pädagogisches Versagen, als unrühmlicher tragisch-bedauerlicher Endpunkt memoriert werden, die Kulmination aufgestauter Frusterfahrungen mit Technik im Klassenzimmer, oder einfach auch als eine ausgereizte Selbstinszenierung meines Lieblingskinds. 

You again!“

„Das ist ein Overhead!“

„Das is mir wurscht! Gib mir das!“

Die Klasse explodiert.

„Nein, das is mein Handy!“

„Gewesen!“

Und an diesem Julitag sammelte ich mein erstes Handy ein.


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Bild: StockSnap via Pixabay

Text: Copyright 2024 aufgmandlt. de, A. Mayer

 

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